Biete Fakes, suche Fakten

„Wieso kriegen die ukrainischen Flüchtlinge eigentlich mehr Kindergeld als wir? Das ist doch unfair!“ „Woher hast du das denn?“„Das hab’ ich bei einem Freund im WhatsApp Status gelesen.“

So oder so ähnlich klingen derzeit viele Gespräche. Fake News und Verschwörungerzählungen lauern an jeder Straßenecke, bestimmen viele Gespräche am Gartenzaun und hallen durch die Teeküchen und Kantinen unserer Unternehmen und das auch immer glaubwürdiger, tiefgründiger und gefährlicher. Wurden vor Jahren noch, aus heutiger Sicht, harmlose Fakes und Verschwörungen in Umlauf gebracht, über eine inszenierte Mondlandung oder das angeblich nichtexistierende Bielefeld, reden wir heute über Fakes, die Angst, Hass und Gewalt schüren sollen und die ein Weltbild erzeugen, in dem es ein „Wir“ und ein „Die“ gibt. 

Ob aus politischer Berechnung, Hass oder schlicht aus Spaß – die Verbreitung von Fake News hat reale Folgen. Besonders in Wahlzeiten können sie die öffentliche Meinung beeinflussen und sogar die Demokratie gefährden. Hier ein paar Beispiele.

Heinrich Heine und die Hottentotten

Gut einen Monat vor der Bundestagswahl kursiert in den Sozialen Medien ein angebliches Gedicht von Heinrich Heine mit folgendem Wortlaut:

„Inder, Türken, Hottentotten, sind sympathisch alle drei,
wenn sie leben, lieben, lachen, fern von hier in der Türkei.
Doch wenn sie in hellen Scharen, wie die Maden in dem Speck,
in Europa nisten wollen, ist die Sympathie schnell weg.“

Interessant ist, dass dieses Gedicht bereits seit den 1990er Jahren immer mal wieder als ein Werk von Heinrich Heine dargestellt wird, obwohl eine umfangreiche Recherche in all seinen Werken bislang zu keinem Ergebnis führte. Jedoch werden diese weiterhin, insbesondere von Personen aus dem rechtsradikalen Raum, verbreitet, um gegen die aktuelle Migrationspolitik Deutschlands zu protestieren. Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei spannungsgeladenen Themen, Zitate berühmter Persönlichkeiten in falsche Zusammenhänge gesetzt oder gar erfunden werden, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Ist es ein Zufall, dass dieses seit mehr als 25 Jahren bestehende Fake-Zitat gerade dann wieder in den Sozialen Medien auftaucht, als die Bundesregierung über eine Verschärfung der Einreiseregeln, die Vereinfachung von Abschiebungen, die „Bekämpfung der illegalen Einwanderung“ und sogar „Remigration“ diskutiert?

Sind alle Wahlen seit 1956 ungültig?

Nein! In einem Facebook Post vom 28.01.2025 wurde von einem User folgendes veröffentlicht:

„Am 23. Februar soll in der Bundesrepublik Deutschland ein neues Parlament gewählt werden. Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2012 gibt es aber kein gültiges Bundeswahlrecht. Dieser Zustand hält bis heute an.

Somit sind alle bisherigen und auch die Wahl am 23. Februar bereits null und nichtig!
Die jetzige Regierung ist gar nicht rechtmäßig gewählt. Die davor und davor auch nicht.
Klärt uns IRGENDEINE der Parteien, die jetzt antreten darüber auf? NEIN!
Drei mal dürft ihr raten, wieso nicht!“

Diese Behauptung kursiert immer mal wieder in den Sozialen Medien. Fakt ist jedoch, dass sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. Juli 2012 lediglich auf einen bestimmten Aspekt des Bundeswahlgesetzes von 2011 bezieht, nicht auf das Gesetz im Ganzen oder gar frühere Wahlen. Diese wurden nie für nichtig erklärt.

Um es mit den Worten des Users zu sagen: Dreimal dürfen wir raten, warum diese Falschbehauptung einen Monat vor der Bundestagswahl auftaucht.

Will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wirklich die Wahl annullieren, wenn die AfD die meisten Stimmen bekommt?

In verschiedenen Sozialen Medien wird dieser Tage behauptet, dass der Bundespräsident den Auftrag zur Regierungsbildung verweigern will, sofern rechtspopulistische Parteien den Wahlsieg erringen. Stimmt das? Diese Behauptung ist nicht bewiesen und auch das Bundespräsidialamt widerspricht. Allein an der Umsetzbarkeit würde es scheitern. In Deutschland nimmt der Bundespräsident bei der Regierungsbildung eine neutrale und protokollarische Funktion ein und besitzt nicht die Befugnisse, Wahlergebnisse für ungültig zu erklären. Somit besteht für Steinmeier gar kein verfassungsmäßiges Recht, die Bundestagswahl zu annullieren. Eine umfangreiche Recherche konnte eine solche Aussage des Bundespräsidenten nicht bestätigen. Stattdessen wurden Zitate zum Teil frei erfunden, zum Teil aber aus bestehenden Reden entnommen und bewusst verändert. So sagte Steinmeier beispielsweise „Die Wahlentscheidung treffen allein die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland.“ – womit er die Einflussnahme auf den Wahlausgang von außen kritisierte. Ziel dieser bewussten gestreuten Desinformationen ist es, vor der Wahl Unsicherheit und Misstrauen gegenüber der bestehenden Regierung und des demokratischen Wahlsystems zu schüren.  

SPD, CDU, AfD und Co. Zitate von Politiker*innen auf dem Prüfstand

Frank-Walter Steinmeier ist nicht der einzige Politiker, dem Zitate in den Mund gelegt wurden. Personen des öffentlichen, besonders des politischen Lebens, werden häufig falsch zitiert oder zu Urheber*innen erfundener Aussagen gemacht. Manche sind aber auch wahr. Wir haben eine kleine Auswahl an Aussagen zusammengetragen, ein kleiner Check „Fakt oder Fake?“

(Quelle: Mimikama.org und correctiv.org)

Klicke auf die jeweilige Box, um zu erfahren, ob das Zitat echt oder gefälscht ist.

*ACHTUNG TRIGGERWARNUNG* zum Teil rassistische, rechtsextreme, diskriminierende Sprache

Geld für die Teilnahme an Demonstrationen? Satire-Aktion von „Die Partei“

Mehr als 10.000 Menschen protestierten im Januar 2025 gegen den Bundesparteitag der AfD in Riesa. Darunter war auch „Die Partei“, die an einem eigenen Stand mit einem Plakat für Demogeld warb. In den Sozialen Medien wurde daraufhin Kritik an der Partei laut, die damit angeblich Menschen bezahlte, damit sie gegen die AfD demonstrierte. Zahlreiche solcher Hasskommentare wurden gepostet. Doch wer sich intensiver mit „Die Partei“ beschäftigt, weiß, dass sie für ihre satirischen Kommentare und Plakate bekannt ist. Somit verbirgt sich hier kein ernst gemeintes Angebot, wie „Die Partei“ auch selbst bestätigte. Es ginge lediglich darum, auf humoristische Weise ein seit Jahren bestehendes Gerücht von Bezahlung für Demonstrant*innen aufzugreifen und dessen ständige Verbreitung, speziell von rechten und verschwörungsideologischen Gruppen zu kritisieren.

Fazit

Bevor am 23. Februar Kreuzchen gesetzt werden und unsere Erst- und Zweitstimmen nicht nur über den Ausgang der Bundestagswahl, sondern über die Zukunft des Landes, in dem wir leben, entscheiden, lohnt es sich, sich die vollständigen Wahlprogramme durchzulesen, komplette Interviews, öffentliche Sitzungen und Debatten zu verfolgen, anstatt zufällig gewählte und bei Social Media verbreitete Ausschnitte zu konsumieren.

#bleibtkritisch #faktstattfake #eurestimmezählt

Die hier dargestellten Beispiele und Zitate wurden alle durch Mimikama.org und correctiv.org geprüft.
Alle Ergebnisse und Quellen können hier eingesehen werden:
https://www.mimikama.org/
https://correctiv.org/